Ist Wirtschaft menschlich?

Aktuell beschäftigt mich wieder die Aussage des amerikanischen Politikers Al Gore, der folgendes vorschlug:

"Eine ökonomische Faustregel lautet: Von dem was wir besteuern, erhalten wir eher weniger, von allem was wir subventionieren, erhalten wir eher mehr. Derzeit wird Arbeit besteuert und der Abbau natürlicher Ressourcen subventioniert - und beides zusammen hat zu einer hohen Arbeitslosenquote und zu einer Verschwendung natürlicher Ressourcen geführt. Was wäre, wenn wir die Besteuerung der Arbeit senken und gleichzeitig die Besteuerung für das Verbrennen fossiler Brennstoffe erhöhen würden?"  (Zitiert nach Myers Lehrbuch Psychologie, 2. Auflage von 2008, Seite 366)

 

Klingt logisch, aber kaum durchführbar. Was beschäftigt mich nun daran? Nicht ob Al Gore damit die Umwelt entlasten könnte, oder wie die Auffassung anderer Politiker zu diesem Statement ist. Nein, ich finde die Frage interessanter, ob er da nicht auf eine universelle Faustregel für die Kontrolle der Wirtschaftswelt gestoßen ist. Nämlich: Wirtschaft lässt sich wie Menschen erziehen! Ok, ich denke diesen Gedankengang muss ich näher erklären:

 

Dieses Al Gore Zitat stammt aus meinem Lieblingspsychologiebuch und ist im Kapitel 8, 'Lernen', im Bereich der praktischen Anwendungen von Konditionierung abgedruckt.

Hier ist noch einmal schön zusammengefasst, was man aus den Experimenten von Pawlow (welche die sogenannte klassische Konditionierung untersuchen) und denen von Skinner (operante Konditionierung) über das Lernverhalten von Menschen schließen kann.

Grundsätzlich lernen wir assoziativ durch das verbinden unterschiedlicher Reize (die wir nicht kontrollieren und auf die wir automatisch reagieren) und durch das koppeln von eigenem Verhalten zu den daraus folgenden (oder scheinbar folgenden) Konsequenzen. Beeinflusst werden diese Lernprozesse natürlich durch biologische Prädispositionen (unsere genetische Grundausstattung), und durch kognitive Prozesse (kaum, bis gar nicht bei Tieren vorhanden).

Nochmal auf Deutsch: Wir lernen meistens automatisch durch Dinge die uns widerfahren.

Gerade Skinner machte klar, dass wir durch positive und negative Verstärkung und positive und negative Bestrafung konditioniert werden können. Auch wenn seine Ansichten in Bezug auf den Menschen umstritten ist, weil er die kognitiven Prozesse außen vor lies, so sind seine Ergebnisse eindeutig.

 

Ich bin der Auffassung, dass wir im Allgemeinen unser Wesen, unseren Charakter immer durch diese grundlegenden Lernprozesse formen. Natürlich gibt es so unzählig viele Einflüsse in unserem Leben die dazu beitragen, doch brechen wir jede Erfahrung auf ihre Bestandteile herunter steht immer wieder eine einfach Lehre dahinter:

'Ich habe gelernt das XY gut für mich ist, weil es zu YZ geführt hat.' oder 'Ich habe schmerzlich lernen müssen, dass ZY schlecht für mich ist, weil es zu YX geführt hat.'

Die Lehre mag manchmal viele Erfahrungen, viel Zeit, viele Stunden des Grübelns und des Sortierens der eigenen Gefühle beanspruchen. Jedoch ist das, was wir als Lehre abspeichern simpel. 'Das mache ich ab jetzt immer so!' oder 'Das mach ich nie wieder!'

Ich persönlich bin zwar der Meinung, dass wir zu einem sehr, sehr großen Anteil unterbewusst entscheiden und nur bewusst nach unseren Unterbewussten Entscheidungen handeln (bei mir vermute ich sind das etwa 80% bis 90%, wenn nicht mehr), aber für die tatsächlichen Auswirkungen auf unser Lernen und Leben spielt es keine Rolle, ob man die Lernprozesse als äußerst komplex, oder so simpel, wie Skinner sie darlegte, sieht.

Klar ist: Der Mensch ist genetisch darauf programmiert zu überleben und das Überleben seiner Gene zu sichern. Somit ist jede Lehre in unserem Leben darauf ausgelegt diesem 'Programmcode' zu folgen und uns die besten Chancen zu ermöglichen.

 

Mit dieser grundsätzlichen Idee im Kopf betrachten wir noch einmal die ökonomische Faustregel: "von dem Gut, was wir subventionieren erhalten wir eher mehr, von dem was wir besteuern eher weniger."

Geld ist in unserer Welt austauschbar gegen alles Mögliche wie Waren, Dienstleistungen, im weitesten Sinne sogar gegen Zeit. Folglich gibt uns mehr Geld mehr Überlebenschancen und der Verlust von Geld nimmt uns Überlebenschancen. Subventionieren heißt vereinfacht 'Geld in die Hand drücken' und besteuern bedeutet somit simpel gesagt 'Geld entreißen'. Also ist eine Subvention eine positive Verstärkung, das Senken von Steuern (oder ganz Streichen) eine negative Verstärkung und ganz klar das Besteuern eine positive Bestrafung und das Einstellen von Subventionen eine negative Bestrafung.

Alles in allem heißt die ökonomische Faustregel nun: "von dem Gut, von dem wir mehr wollen, für das müssen Verstärkung einsetzen und für Güter, die wir verringern wollen, benötigen wir Bestrafung."

 

Moment einmal! Das würde ja bedeuten, dass sich die Marktwirtschaft, wie wir sie kennen, menschlich verhält und somit erziehbar und lernfähig wie ein Mensch ist!!

Richtig. Genau dieser Schluss beschäftigt mich schon sehr lange und hat mich motiviert, in unserer Welt, die so sehr von mathematischen Regeln, von imaginären Konstrukten, die klaren, vorgegebenen Gesetzen folgen, beherrscht wird, nach dem Faktor Mensch in der Gleichung zu suchen. Egal wo und egal wie oft Manager oder Analysten versuchen den Faktor Menschen aus allen Daten und Entscheidungen herauszuhalten, auch wenn auf beiden Seiten jeder Gleichung der Faktor Mensch steht, so lässt er sich doch nicht heraus kürzen.

Wir tun grundsätzlich das, von dem wir glauben dass es das Beste für uns ist. Für uns als Individuum, für uns als Gruppe, für uns als Unternehmen oder als Staat. Vergessen wir jedoch niemals dabei, wer wir sind. Wir sind Menschen. Wir handeln nicht immer rational, wir unterliegen Wahrnehmungstäuschungen, wir sind emotional verwundbar und Angstreaktionen zerstören viel zu oft alles, was wir uns bis dahin aufgebaut haben.

Jedoch sind wir auch Menschen! Wir sind flexibel, anpassungsfähig, kreativ, stecken voller Wunder, können uns für so vieles begeistern, können aus Nichts Alles machen, erschaffen Realität aus Träumen und unsere Emotionen ernähren unsere Motivation und können uns unbesiegbar machen.

 

 

Ist die Wirtschaft tatsächlich menschlich, dann steckt dasselbe Potential in ihr, wie in uns allen. Wir müssen es nur heraus kitzeln, wie wir es bei uns selbst auch tun würden. Ich sage, egal welches wirtschaftliche Ziel wir erreichen wollen, der Weg führt immer über den Faktor Mensch. Richtig eingesetzt ist das Personal, sind die Arbeiter die einzige Ressource, das einzige Gut, welches wir subventionieren müssen. Steuern für Arbeit senken, Fleiß und Engagement belohnen, das ist die Aufgabe aller Menschen, die an der Wirtschaft beteiligt sind. Das Ziel ist klar:

Mit Freude Arbeiten und am Erfolg Spaß haben!